Iteratives und inkrementelles Arbeiten in Projekten, 2. Teil
Iterativ und inkrementell sind zwei Begriffe, die kompliziert klingen und uns im ersten Moment vielleicht nicht viel sagen. Unbewusst haben wir diese Arbeitsweisen aber garantiert schon angewendet. Denn die Begriffe beschreiben nichts anderes, als eine große Aufgabe in kleinere Teilaufgaben oder einzelne Etappen aufzuteilen und diese dann Schritt für Schritt umzusetzen, bis das Ziel erreicht ist.
In einem Projekt tragen iterative und inkrementelle Abläufe dazu bei, dass wir flexibel reagieren können, zeitnah zu Ergebnissen kommen und fortlaufend Verbesserungen erzielen.
Warum das so ist und wie es funktioniert, schauen wir uns in einem zweiteiligen Beitrag an. Dabei haben wir im 1. Teil erklärt, was das iterative und inkrementelle Arbeiten ausmacht.
Jetzt, im 2. Teil, kümmern wir uns unter anderem um die Vor- und Nachteile:
Inhalt
3 Beispiele für iteratives und inkrementelles Arbeiten in Projekten
In sehr vielen Projekten und quer durch etliche Branchen finden sich iterative und inkrementelle Ansätze. Teilweise werden die Prozesse ganz bewusst eingesetzt, oft kommen die Methoden aber auch intuitiv zur Anwendung, ohne dass sie explizit so bezeichnet werden.
Schauen wir uns drei Beispiele an:
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Softwareentwicklung
In der Softwareentwicklung sind agile Methoden wie Scrum an der Tagesordnung. Ein fester Bestandteil davon sind iterative und inkrementelle Vorgehensweisen.
Gearbeitet wird in kurzen Zyklen, auch Sprints genannt, bei denen regelmäßig kontrolliert wird, ob die Anforderungen erfüllt und ob Verbesserungen möglich sind.
Ein Beispiel
Das Projektteam entwickelt eine App, mit der Termine koordiniert werden können.
- Iterativ: Alle zwei Wochen erscheint eine aktualisierte Version der App. Vom Design der Benutzeroberfläche über die Navigation bis hin zu den einzelnen Funktionen wird dabei jede Version getestet und auf Basis des Feedbacks der Nutzer angepasst und optimiert.
- Inkrementell: Zunächst konzentriert sich das Projektteam auf die Grundfunktion, also das Erfassen von Terminen. Erst danach werden schrittweise weitere Funktionen wie zum Beispiel Benachrichtigungen, Priorisierungen oder die Synchronisation mit der Kontaktliste und dem Kalender hinzugefügt.
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Marketing
Auch im Marketing und hier vor allem im Online-Marketing gehören agile Methoden längst zum Standard.
Ein Beispiel
Das Projektteam arbeitet an einer Werbekampagne für ein neues Produkt.
- Iterativ: Das Team entwirft verschiedene Werbeanzeigen mit unterschiedlichen Slogans, Texten und Bildern und testet diese durch einen A/B-Test. Die Versionen, die besser ankamen, nutzt das Team dann, um die Kampagne weiter zu optimieren.
- Inkrementell: Die Werbekampagne startet zunächst nur über einen Kommunikationskanal, zum Beispiel online. Ist sie dort erfolgreich, wird sie auf andere Maßnahmen ausgeweitet, etwa Aktionen im stationären Handel oder Fernsehspots.
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Bauwesen
Obwohl das Bauwesen zu den eher traditionellen Branchen gehört, werden hier ebenfalls regelmäßig iterative und inkrementelle Ansätze genutzt. Allerdings geschieht das oft, ohne diese bewusst so zu nennen.
Ein Beispiel
Es soll eine Anlage mit Ferienhäusern entstehen.
- Iterativ: Im Zuge der Planungsphase baut das Projektteam ein erstes Modell der Anlage und präsentiert dieses dem Kunden. Im weiteren Verlauf werden die Entwürfe stetig angepasst, bis sie den Vorgaben und Vorstellungen entsprechen.
- Inkrementell: Der erste Entwurf beschränkt sich auf die Anordnung der Ferienhäuser und erste Entscheidungen zum Design. Erst im weiteren Verlauf kommen andere Aspekte wie die Wege, die Strom- und Wasserversorgung oder die Gestaltung der einzelnen Ferienhäuser dazu.
Die Vor- und Nachteile vom iterativen und inkrementellen Arbeiten
Im Projektmanagement iterativ und inkrementell zu arbeiten, bringt einige Vorteile mit sich. Dazu gehören das hohe Maß an Flexibilität und die Möglichkeit, jederzeit Anpassungen vorzunehmen.
Die Methode führt dazu, dass wir früh erste Ergebnisse liefern können, stetig Verbesserungen erreichen und uns durch das kontinuierliche Feedback Schritt für Schritt dem angestrebten Ziel nähern.
Vor allem Projekte mit komplexen Anforderungen oder einem hohen Unsicherheitsfaktor profitieren davon. Gleichzeitig fördern diese Ansätze den Teamgeist und tragen dazu bei, dass die Motivation erhalten bleibt.
Denn durch die Aufteilung in kleine Etappen zeigen sich schnelle Teilerfolge.
Allerdings stehen den Vorteilen auch Minuspunkte gegenüber. So ist zumindest anfangs weniger Übersicht vorhanden. Außerdem ist der Kommunikationsaufwand deutlich größer und neben Disziplin braucht es klare Ziele.
Die größte Gefahr besteht aber darin, dass Endlosschleifen entstehen, die Zeit und Geld kosten, ohne wirklich Fortschritte zu bringen. Aus diesem Grund ist das iterative und inkrementelle Arbeiten auch nicht für alle Projekte geeignet.
Ein Gegenbeispiel
Im ersten Moment scheint es so, als wäre eine iterative und inkrementelle Arbeitsweise generell sinnvoll. Aber dem ist nicht so. Es gibt Projekte, bei denen agile Ansätze eher hinderlich sein können.
Das gilt vor allem für Projekte, die von Anfang an eine klare Struktur und eine detaillierte Planung erfordern, die auf den Projektumfang und die Zielvorgaben abgestimmt ist.
Ein klassischer Ansatz ist in solchen Fällen passender, während sich agile Vorgehensweisen bestenfalls für Tests erster Ideen in frühen Konzeptphasen eignen.
Damit es anschaulicher wird, auch hierzu ein Beispiel: Angenommen, ein Unternehmen möchte ein innovatives Medizingerät entwickeln, das die Vitalfunktionen von Patienten auf der Intensivstation zuverlässig überwachen und dokumentieren soll.
Dieses Gerät muss nicht nur die gewünschten Funktionen bieten, sondern auch strenge gesetzliche Auflagen mit Blick auf zum Beispiel die Patientensicherheit und den Datenschutz erfüllen.
Würde das Projektteam nun agil vorgehen, würde es mit einem Prototyp starten, diesen in kurzen Zyklen testen und auf Basis des Feedbacks mehrfach überarbeiten und optimieren.
Doch dabei muss jede Änderung präzise dokumentiert und erneut umfangreich getestet werden. Das nimmt viel Zeit in Anspruch und verursacht hohe Kosten.
Stellt sich dann heraus, dass technische Entscheidungen in einer frühen Phase dazu führen, dass das System so nicht in die Krankenhaus-IT integriert werden kann, wird eine aufwendige Überarbeitung unumgänglich. Damit steht das Projekt aber wieder ziemlich am Anfang.
Gerade durch die technischen Abhängigkeiten und die regulatorischen Vorgaben verlieren agile Anpassungen ihre Effizienz, weil sie aufwändige Folgearbeiten auslösen.
Ein klassischer Ansatz, der die Voraussetzungen von Anfang an mit einbezieht, führt hier wesentlich schneller zum Erfolg.
Mehr Ratgeber, Tipps und Anleitungen:
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Thema: Iteratives und inkrementelles Arbeiten in Projekten, 2. Teil
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